Ein Allradsystem für den Mini.

Langzeittest Mini Cooper Cabrio
Technik

Auto Bild Nr. 43/2004


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Ein Allradsystem für den Mini.

Allradsystem von Getrag. Fahrbericht Mini Twinster Allrad

Zusammenfassung von Michael H&oum;nigmann eines Berichtes aus Auto Bild Nr. 43/2004.

Getrag, einer der weltgrößten Getriebehersteller, unterhält in Köln eine kleine, aber feine Tochterfirma namens Driveline Systems, bei der man ständig nach Alternativen sucht, um Autos noch sicherer und gleichzeitig dynamischer zu machen. Beim Mini hieß die Aufgabe: Verbesserung von Agilität, Spurstabilität und Lenkpräzision per Allradantrieb. Die Mannen von Geschäftsführer Werner Hoffmann dachten sich für den Mini etwas ganz Besonderes aus:

Der Mini-Getränkehalter wurde zweckentfremdet: Per Drehschalter lässt sich die Kraftverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse variieren.
Der Mini-Getränkehalter wurde zweckentfremdet: Per Drehschalter lässt sich die Kraftverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse variieren.

Keinen angehängten Allradantrieb wie beim Golf 4Motion, der per Haldexkupplung aus einem Fronttriebler bei entsprechendem Traktionsbedarf einen Beinahe-Hecktriebler werden lässt. Sondern das genaue Gegenteil: Der Getrag-Mini überträgt die 163 PS des Cooper-S-Motors unter optimalen Traktionsbedingungen (Geradeausfahrt, trockene Straße) fast vollständig auf die Hinterachse. Sobald jedoch Schlupf auftritt, verteilt eine elektronische Steuerung innerhalb von Millisekunden mehr Kraft an die Vorderachse.

Der Mitteltunnel des Serienautos dient zur Aufnahme der Abgasanlage.
Der Mitteltunnel des Serienautos dient zur Aufnahme der Abgasanlage.

Beim Getrag-Mini: Neben dem Auspuff die an den Winkeltrieb angeflanschte Kardanwelle (1).
Beim Getrag-Mini: Neben dem Auspuff die an den Winkeltrieb angeflanschte Kardanwelle (1).

Und auch hier gibt es eine völlig neue Lösung: Zwei getrennt arbeitende Lamellenkupplungen verteilen das Drehmoment individuell an die Vorderräder, ein Differenzial an der Vorderachse wird damit überflüssig. Nebenbei gaben die beiden Kupplungen dem Projekt auch einen Namen: Bei Getrag taufte man den Allrad-Mini "Twinster" (vom englischen "twin" für Zwilling).

Allradantrieb im Mini.
Allradantrieb im Mini.

So funktioniert der Allradantrieb

Das Herzstück des Getrag-Twinster bildet die sogenannte Power Take Off Unit — was auf deutsch so viel wie "Leistungsverteileinheit" bedeutet.

Die unmittelbar hinter dem Getriebe in der Fahrzeugfront angeordnete Einheit besteht aus zwei Hauptbauteilen: Die (orange eingefärbte) linke Hälfte beherbergt den Winkeltrieb mit Radsatz und Tellerrad und stellt im Regelfall die direkte Verbindung zwischen Getriebe und Kardanwellenanschluss (blau) zur Hinterachse her.

Damit ist der Mini ein stark heckbetonter (bis zu 95 Prozent) Allradler. In der rechten (grünen) Hälfte sind zwei Lamellenkupplungen installiert. Sobald die modulare Steuerelektronik des Twinster anhand der Parameter der serienmäßigen Bordelektronik erkennt, dass ein Eingriff sinnvoll ist, steuert sie eine oder beide Lamellenkupplungen an und regelt so den Kraftfluss an die Seitenwellen (grau) zu den Vorderrädern.

Damit funktioniert die Twinster-Technik prinzipiell wie ein "umgekehrtes" ESP-System: Während ESP ein bereits außer Kontrolle geratenes Auto durch gezieltes Abbremsen einzelner Räder wieder stabilisiert, arbeitet das Getrag-System permanent mit der Antriebskraft der Vorderräder: Schon bevor ein kritischer Fahrzustand erreicht wird, verteilt die Elektronik den Kraftfluss über die beiden Kupplungen so gezielt, dass die Fahrstabilität stets erhalten bleibt.

Soweit die Theorie. In der Praxis merkt man unter optimalen Bedingungen zuerst einmal nichts. Er beschleunigt genauso, bremst genauso. Antriebseinflüsse sind kaum zu spüren. Doch das ändert sich schlagartig, wenn es schnell um die Ecken geht. Während der normale Mini untersteuernd aus der Kurve drängt oder mit stärkerem Lenkradeinschlag gebändigt werden muß, liegt der Twinster neutral, bleibt stur in der Spur. Der Grund: Der Allradantrieb ist mit der Bordelektronik des Mini vernetzt und errechnet aus aktuellen Fahrzeugdaten wie Geschwindigkeit, Lenk- und Gierwinkel, Querbeschleunigung und Radrehzahl den optimalen Kraftfluss zu den Vorderrädern. Dementsprechend öffnen und schließen die beiden Kupplungen an den Vorderrädern, leiten in engen Kurven mehr Drehmoment an das kurveninnere Rad und ziehen den Mini so enger um die Kurve.

Das Resultat zeigt sich auf dem Handlingkurs. Während der normale Mini bei nasser Piste noch stärker untersteuert und beim Beschleunigen seine 163 PS bei abgeschaltetem DSC nur mit Mühe auf den Boden kriegt, kommt der Getrag-Mini viel neutraler um die Ecken. Bei Vergleichsfahrten absolvierte der Allradler die nasse Piste rund zehn Prozent schneller als sein frontgetriebener Kollege.

Der normale Mini untersteuert.
Der normale Mini untersteuert.

Der allradgetriebene Twinster bleibt stur in der Spur.
Der allradgetriebene Twinster bleibt stur in der Spur.

Ob der Twinster jedoch jemals zu kaufen sein wird, steht zur Zeit noch dahin. Aber die Zeichen sind gut: Auch BMW-Entwicklungschef Dr. Birkhard Göschel hat ihn schon getestet — und war, so Getrag-Geschäftsführer Hoffmann, "ziemlich beeindruckt".

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